Das Massaker von My Lai – Die dunkelste Stunde des Vietnamkriegs
Das Massaker von My Lai – Die dunkelste Stunde des Vietnamkriegs
Der 16. März 1968 war ein Tag wie jeder andere in dem kleinen vietnamesischen Dorf My Lai – bis amerikanische Soldaten es in einen Ort des Schreckens verwandelten. Was als Militäroperation begann, endete in einem der dunkelsten Kriegsverbrechen des 20. Jahrhunderts. Über 500 unbewaffnete Zivilisten – Frauen, Kinder und ältere Menschen – wurden an diesem Tag systematisch getötet. Doch das Massaker blieb nicht lange ein Geheimnis, das in der Dunkelheit verborgen bleiben konnte. Seine Aufdeckung würde die amerikanische Öffentlichkeit spalten und Fragen stellen, die bis heute nachhallen.
Ein Krieg, der aus den Fugen geriet
Um My Lai zu verstehen, müssen wir zunächst den Kontext verstehen. 1968 war das 13. Jahr des Vietnamkriegs – ein Krieg, der Amerika bereits tief gespalten hatte. Der Tet-Offensive im Januar 1968 hatte gezeigt, dass der Optimismus des amerikanischen Militärs fehl am Platz war. Trotz jahrelanger Bombenabwürfe und Bodenoperationen schien der Feind nicht schwächer zu werden, sondern stärker.
Die amerikanischen Soldaten kämpften in einem Krieg, den sie nicht wirklich verstanden. Sie waren jung, oft nur 19 oder 20 Jahre alt, in einem fremden Land, unter extremer Spannung und Angst. Der Feind war unsichtbar – die Vietcong versteckten sich in Tunneln und zwischen der Zivilbevölkerung. Es war unmöglich, Kämpfer von Zivilisten zu unterscheiden. Diese Unsicherheit, diese Angst, diese Frustration würde sich zu etwas Schrecklichem verdichten.
Der Morgen von My Lai
Am Morgen des 16. März 1968 startete die Charlie Company unter der Leitung von Hauptmann Ernest Medina einen Such- und Vernichtungseinsatz in der Song My-Region. Ihr Ziel war es, eine Vietcong-Einheit aufzuspüren und zu vernichten, die sich in der Gegend verstecken sollte. Die Soldaten wurden instruiert, das Gebiet zu säubern. Wie genau das geschehen sollte, blieb in der Schwebe – eine gefährliche Vagheit, die sich zu etwas Katastrophalem entwickeln würde.
Als die Soldaten in das Dorf My Lai einmarschierten, war klar, dass hier keine Vietcong-Kämpfer waren. Das Dorf war größtenteils leer – nur alte Menschen, Frauen und Kinder waren geblieben. Die meisten Männer waren entweder bei den Vietcong oder zur Arbeit weg. Doch statt das Dorf zu durchsuchen und weiterzuziehen, geschah etwas anderes.
Das Unverzeihliche
Das, was folgte, wird in den Berichten von Überlebenden und Soldaten als systematische Vernichtung beschrieben. Häuser wurden angezündet. Menschen wurden aus ihren Häusern getrieben. Frauen wurden vergewaltigt. Dann fingen die Tötungen an.
Leutnant William Calley, ein 24-jähriger Offizier, gab den Befehl, das Dorf auszuradieren. Mit Gewehren, Granaten und Flammenwerfer töteten amerikanische Soldaten wahllos alles, was sich bewegte. Ein Zeuge beschrieb, wie Soldaten Kinder verfolgten und schossen. Ein anderer berichtete, wie Frauen und Mütter niedergestreckt wurden. Die Gräuel dauerten Stunden.
Am Ende des Tages waren schätzungsweise 347 bis 504 Zivilisten tot – eine genaue Zahl wird nie bekannt sein. Das Dorf My Lai war verwüstet. Es war nicht länger nur ein Krieg gegen einen Feind; es war ein Krieg gegen die Menschheit selbst.
Die Frage nach Befehlen und Gehorsam
In den Wochen und Monaten nach My Lai stellte sich eine Frage, die bis heute Militärhistoriker und Ethiker beschäftigt: Auf wessen Befehl geschah das Alles? William Calley behauptete, er habe nur Befehle befolgend. Hauptmann Medina bestritt, solche Befehle gegeben zu haben. Die Wahrheit war verschleiert, verflochten mit der Ambiguität des Krieges.
Was jedoch klar war: Nicht alle Soldaten beteiligten sich. Einige weigerten sich zu schießen. Andere schossen absichtlich in die Luft. Und dann war da Hugh Thompson Jr., ein 25-jähriger Hubschrauberpilot, der über das Dorf flog und sah, was geschah. Thompson landete seinen Hubschrauber und hielt die Soldaten davon ab, eine Gruppe von Zivilisten zu töten, die sich in einem Schützengraben versteckt hatten. Er sagte seinen Soldaten, dass sie die Flüchtlinge erschießen würden, wenn sie versuchten, sie zu töten. Mit dieser moralischen Klarheit rettete er etwa 10 Menschen.
Hugh Thompson war einer der wenigen, der an diesem Tag sein Gewissen nicht aufgab.
Die Vertuschung
Das Massaker von My Lai wurde nicht sofort bekannt. Tatsächlich wurde es vertuscht. Offizielle Berichte sprachen von 20 Vietcong getötet und von einer erfolgreichen Operation. Die Wahrheit blieb begraben – zunächst.
Doch dann sprachen Soldaten. Einer von ihnen war Ronald Ridenhour, der von anderen Soldaten von dem Massaker gehört hatte. Er schrieb einen Brief an Kongressabgeordnete und forderte eine Untersuchung. 1969, ein Jahr später, wurde die Geschichte der Öffentlichkeit bekannt. Der Fotograf Ronald L. Haeberle veröffentlichte Fotos aus My Lai. Das Fernsehen zeigte die Bilder. Amerika war schockiert.
Die Wahrheit konnte nicht länger verborgen bleiben.
Das Gericht und die Konsequenzen
William Calley wurde vor Gericht gestellt. Der Prozess wurde zu einer der kontroversesten Militärgerichtsverhandlungen in der amerikanischen Geschichte. Calley wurde wegen Mordes an 22 Zivilisten für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Allerdings wurde er später begnadigt und verbrachte schließlich nur wenige Jahre im Gefängnis.
Für viele war die Strafe zu mild. Für andere war Calley nur ein Sündenbock – ein junger Mann, der in einem System gefangen war, das ihn in diese Position gebracht hatte. Die Debatte über Schuld und Verantwortung war nicht so einfach wie sie hätte sein sollen.
Hauptmann Medina wurde ebenfalls vor Gericht gestellt, aber freigesprochen. Andere Offiziere wurden nicht angeklagt. Für viele Überlebende und Beobachter war dies ein Versprechen der Gerechtigkeit, das nicht erfüllt wurde.
Warum My Lai wichtig bleibt
Das Massaker von My Lai war mehr als nur ein einzelnes Kriegsverbrechen. Es war ein Wendepunkt. Es war der Moment, in dem ein großer Teil der amerikanischen Öffentlichkeit begann, die offiziellen Narrative des Vietnamkriegs in Frage zu stellen. Es war der Moment, in dem die Illusion der Kontrolle und der moralischen Klarheit zerbrach.
My Lai zeigte, was passiert, wenn ein Krieg aus den Fugen gerät, wenn Befehle unklar sind, wenn die Angst überwältigend wird und wenn die Unterscheidung zwischen Kämpfer und Zivilist verschwimmt. Es zeigte auch, dass nicht alle Menschen in extremen Situationen gleich handeln – dass einige wie Hugh Thompson ihren moralischen Kompass behalten, während andere ihn verlieren.
Die Stimmen der Überlebenden
Was oft in den Geschichten über My Lai verloren geht, sind die Stimmen der Überlebenden. Pham Thi Dung überlebte das Massaker, obwohl ihre Familie getötet wurde. Sie sprach später über ihre Erfahrungen. Ihre Geschichte – und die Geschichten von Hunderten anderen Überlebenden – sind ein Zeugnis für die menschlichen Kosten des Krieges, für den Verlust, der nicht gemessen werden kann, für die Wunden, die nicht heilen.
Die Überlebenden von My Lai erinnern uns daran, dass Krieg nicht abstrakt ist. Er hat Gesichter. Er hat Geschichten. Er hinterlässt Narben, die Generationen überdauern.
Lektionen für die Gegenwart
Mehr als 55 Jahre nach My Lai bleibt die Frage aktuell: Wie verhindern wir, dass solche Dinge wieder passieren? Wie stellen wir sicher, dass Soldaten nicht nur Befehle befolgen, sondern auch moralisch verantwortlich handeln? Wie können wir Kriege so führen, dass die Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilisten gewahrt bleibt?
My Lai lehrt uns, dass Gehorsam nicht alles ist. Es lehrt uns, dass es ein Recht auf Ungehorsam gibt – auf moralischen Ungehorsam – wenn Befehle falsch sind. Es lehrt uns, dass eine Gesellschaft nur so moralisch ist wie ihre schwächsten Momente, und dass wir ständig wachsam sein müssen, um sicherzustellen, dass solche Momente nicht wieder passieren.
Fazit: Das Gedächtnis bewahren
Das Massaker von My Lai war eine der dunkelsten Stunden nicht nur des Vietnamkriegs, sondern der amerikanischen Geschichte. Es war ein Moment, in dem die Menschlichkeit zusammenbrach, ein Moment, in dem das Unvorstellbare vorstellbar wurde.
Doch es war auch ein Moment, in dem einige Menschen – wie Hugh Thompson und Ronald Ridenhour – sich weigerten, einfach wegzuschauen. Sie sprachen auf. Sie bestanden darauf, dass die Wahrheit bekannt wird. Sie erinnerten die Welt daran, dass es andere Wege gibt, selbst in den dunkelsten Zeiten.
Wir müssen My Lai nicht vergessen. Wir müssen es betrachten, es studieren, es verstehen. Denn nur wenn wir verstehen, was passiert ist und wie es passiert ist, können wir hoffen, solche Dinge zu verhindern. Nur wenn wir die Stimmen der Überlebenden hören, die Geschichten der Soldaten, die es verweigerten, und die Lehren der Geschichte beachten, können wir vielleicht ein wenig menschlicher werden.
My Lai bleibt eine Mahnung. Eine Mahnung an die Kosten des Krieges, an die Grenzen des Gehorsams und an die unerlässliche Notwendigkeit moralischer Klarheit – selbst wenn dies schwierig ist.
Michael Jakckson - Der missverstandene Kinderschänder?
Michael Jackson - Der missverstandene Kinderficker?
Michael Jackson im Pyjama vor Gericht - Die dunkelste Stunde des King of Pop
Es ist 8:30 Uhr morgens am 10. März 2005 im Gerichtsgebäude von Santa Maria, Kalifornien. Richter Rodney Melville blickt auf einen leeren Stuhl am Tisch der Verteidigung. Der Stuhl, auf dem Michael Jackson sitzen sollte.
"Mr. Jackson ist nicht anwesend", sagt Melville mit einer Stimme, die Gefahr ankündigt. Die Spannung im Raum ist greifbar. Über 2.200 Journalisten aus der ganzen Welt sind akkreditiert – mehr als beim O.J. Simpson-Prozess. Die Medienmeute wittert Blut.
Melville macht keine halben Sachen. Er erlässt einen Haftbefehl. Michael Jacksons 3-Millionen-Dollar-Kaution? Verfallen. Der Mann, der "Thriller" erschaffen hat, hat genau eine Stunde Zeit, vor Gericht zu erscheinen. Oder er wird verhaftet.
Wo ist Michael Jackson?
Die Antwort ist so bizarr: Er liegt in seinem Bett in Neverland im Pyjama. Nicht, weil er den Wecker überhört hat oder er sich denkt: "Ich bin Michael Jackson, was interessiert mich eine Gerichtsverhandlung" - er ist gerade aus der Dusche gefallen, und hat sich die Rippen verletzt.
Seine Mitarbeiter finden ihn am Boden, schwach und desorientiert. Aber der Richter wartet nicht. Das Gesetz wartet nicht.
Nur wenige Momente später: Eine Autokolonne rast durch die kalifornischen Straßen. Im Auto sitzt Michael Jackson – nicht in einem Anzug, nicht in seiner üblichen Bühnenkluft, sondern in hellblauen Paisley-Pyjamahosen und Hausschuhen, darüber hastig ein schwarzes Jackett geworfen.
Als er am Gericht ankommt, sind die Kameras schon längst da. Hunderte von ihnen. Wie immer, wenn Michael Jackson in der Öffentlichkeit ist. Er hat es gerade noch rechtzeitig geschafft. Die Bilder von Michael Jackson im Pyjama gehen um die Welt. Obwohl das, was im Gericht verhandelt wird, viel wichtiger ist!
Warum war dieser Tag so wichtig für Michael Jackson?
Warum war dieser Tag so wichtig, dass man dem berühmtesten Sänger dieser Zeit Haft androht, wenn er nicht erscheint? An genau diesem Tag sollte der 15-jährige Gavin seine wichtigste Aussage machen. Das war der Junge, der behauptete, Michael Jackson habe ihn missbraucht. Das war der Moment, auf den die Staatsanwaltschaft monatelang hingearbeitet hatte. Der Moment, der Michael Jackson lebenslang ins Gefängnis bringen sollte.
Gavin sollte an diesem Tag die grafischsten, emotional aufwühlendsten Details seiner angeblichen Misshandlung schildern. Das war der Tag, an dem die Staatsanwaltschaft ihren stärksten emotionalen Schlag ausführen wollte.
Kindesmissbrauch. Eines der schlimmsten Verbrechen, die du begehen kannst. Und der größte Star der Welt könnte an diesem Tag für immer als Kinderschänder bekannt sein. Aber diese Geschichte hat viel mehr Tücken und Winkel, als ich zu Beginn gedacht habe.
Eine persönliche Frage
Die heutige Frage behandelt ein Thema, das ziemlich schwierig ist. Das weiß ich. Aber es ist mir wichtig dieses Thema zu besprechen. Der Ursprung dieser Idee ist ein Gespräch von vor einigen Jahren… Ich denke mal das war 2015 oder 2016. Eigentlich hatte ich ein ganz normales, oberflächliches Gespräch mit ein paar Leuten im Studium. Es ging am Ende des Tages nur darum, wer unserer Meinung nach der beste Musiker ist, den wir kennen. Für mich ist die Antwort klar: Michael Jackson. Je nach Stimmung vielleicht auch Freddy Mercury. Aber an dem Tag war es für mich Michael. Und als ich das gesagt habe, ruft meine Freundin Laura: "Michael Jackson ist ein alter Kinderficker!"
Ich habe in den letzten Jahren immer wieder an diese Situation gedacht. Kann ich Fan von einem Mann sein, dem eines der schlimmsten Verbrechen vorgeworfen wird? Muss ich da nicht das Rückgrat haben und sagen: Egal, wie gut die Musik ist - hier muss ich eine Grenze ziehen und darf diesen Menschen nicht unterstützen! Ich wusste, dass Michael Jackson nie verurteilt war. Und fand diese Haltung auch irgendwie bequem. Denn wenn ich diese schwierigen Fragen verdränge, kann ich auch zu keiner anderen Antwort kommen. Aber die Frage beschäftigt mich seitdem immer wieder. Und jetzt, 10 Jahre später, habe ich mich auf den Weg gemacht, um auch für mich Antworten zu finden.
Die gestohlene Kindheit
Aber um zu verstehen, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass er angeklagt wird, müssen wir zurückgehen. Weit zurück. Zu einem kleinen Jungen namens Michael Jackson, der 1968 mit seinen Brüdern auf der Bühne stand die Welt mit seiner Stimme verzückt hat.
Dieser kleine Junge war ein Phänomen. Seine Stimme war rein wie Kristall, seine Bewegungen waren geschmeidig wie Seide. Michael Jackson hatte wirklich alles, was man braucht, um in diesem Geschäft ganz oben zu stehen.
Aber er bezahlte einen Preis für dieses Talent – einen Preis, den er nie wieder zurückbekommen würde. Seine Kindheit.
Childhood - Der ehrlichste Song
Wenn ihr mich fragt, sind die besten Songs von Michael Jackson nicht seine Welthits. Klar, Thriller ist mega, ich mag auch Black or White extrem gerne. Aber meine beiden Lieblings-Songs von Michael Jackson sind Man in the Mirror… und ein sehr ruhiger Song… Ein Song, der im Vergleich zu den anderen Hits, die er hatte, nicht der ganz große Chartbreaker war. Vielleicht sogar der ehrlichste Song, den er geschrieben hat: Childhood.
Schon in der ersten Zeile des Liedes singt er: "Have you seen my childhood? I'm searching for the world that I come from."
Habt ihr meine Kindheit gesehen? Ich suche nach der Welt, aus der ich komme.
Das ist ein Verzweiflungsschrei. Das ist ein 37-jähriger Mann, der immer noch nach etwas sucht, was ihm gestohlen wurde, bevor er überhaupt verstehen konnte, was er verloren hatte.
Joe Jackson - Der Zuchtmeister
Normale Kinder mit fünf Jahren sollten spielen, Cartoons schauen, einfach Kind sein. Doch stattdessen stand Michael vor Millionen von Menschen auf der Bühne.
Sein Vater, Joe Jackson war der Manager der Jackson 5… Und viel weniger ein Vater als ein Zuchtmeister, ein Mann, der in seinen Kindern das große Geschäft witterte. Er saß bei jeder Probe da. Mit einem Gürtel in der Hand. "Wenn du einen Fehler machst," erzählte Michael Jahre später Oprah Winfrey, "wartet zu Hause eine Tracht Prügel auf dich."
Aber es war nicht nur der Gürtel. Joe benutzte Kabel. Stromkabel. Er warf seine Kinder gegen Wände. Er schlug sie, bis sie ohnmächtig wurden oder sich übergaben. Michael erzählte später, dass er sich übergeben musste, wenn er seinen Vater sah. Dass Joe ihn einmal an einem Bein aus dem Bett hielt und solange schlug, bis er aufhörte zu weinen.
Und was macht ein Kind, das so behandelt wird? Es wird erwachsen, lange bevor es bereit dazu ist.
Der Unterschied zu seinen Brüdern
Aber hier ist das Verrückte: Michaels Brüder erinnern sich anders.
Jermaine Jackson, Tito, Jackie – sie sprechen über Joe als strengen, aber notwendigen Vater. Sie sagen: "Er hat uns Disziplin beigebracht. Er hat uns zu Stars gemacht."
Aber der Unterschied ist: Michael war derjenige, auf dem der ganze Druck lastete. Michael war derjenige, der perfekt sein musste. Seine Brüder durften Kinder sein, wenn sie nicht probten. Michael durfte nie aufhören zu arbeiten.
Michael hatte nie einen normalen Geburtstag. Nie. Er wusste nicht, wie es sich anfühlt, Geschenke auszupacken, während Freunde "Happy Birthday" singen. Er hatte nie Weihnachten. Die Jacksons waren Zeugen Jehovas – Weihnachten war verboten. Während andere Kinder Geschenke auspackten, probte Michael.
Er hatte nie Freunde. Wie sollte er? Andere Kinder gingen zur Schule, er tourte. Andere Kinder spielten nach der Schule, er arbeitete. Andere Kinder kannten Cartoons und Spielzeug, er kannte nur Bühnen und Studios.
Neverland - Der Versuch, Kindheit zurückzuholen
Als Michael zum Weltstar wurde und sich mit seinen Millionen-Umsätzen alles kaufen konnte, was er wollte, hat er sich die Welt gebaut, in der er Kind sein konnte.
1978, Michael ist 20 Jahre alt, entdeckt er die Geschichte von Peter Pan. Der Junge, der nie erwachsen werden muss. Der in einer magischen Welt lebt, wo Kinder fliegen können und Abenteuer erleben. Wo Erwachsene die Bösen sind und Kinder die Helden.
Michael wollte der Junge sein, der nie erwachsen werden muss. Der nie die Unschuld verliert. Der nie aufhört zu glauben, dass die Welt magisch sein kann.
Jahre später, in einem Interview sagte Michael: "Ich habe nie eine Kindheit gehabt. Ich habe die Kindheit, die mir gestohlen wurde, durch andere Kinder zurückbekommen. Wenn ich um Kinder herum bin, fühle ich mich wie ich selbst."
Er baute sich Neverland. Nicht eine, sondern zwei Eisenbahnlinien. Die erste heißt "Katherine" – nach seiner Mutter benannt. Die zweite schlängelt sich durch die gesamte Ranch und bietet Ausblicke auf Berge, Täler und den privaten Zoo Mit über 200 exotischen Tieren.
Giraffen, die über die Baumwipfel schauen. Elefanten, die in der kalifornischen Sonne baden. Lamas, Flamingos, sogar ein Orang-Utan namens Bubbles, der Michaels persönlicher Begleiter wird.
Die Medien nannten es exzentrisch, verrückt, unpassend für einen erwachsenen Mann.
Psychologen haben einen Namen dafür: emotionale Regression. Das ist, wenn ein Erwachsener versucht, die Kindheit nachzuholen, die er nie haben durfte.
Michael hat Kinder zu sich nach Hause eingeladen. Er suchte nach der Unschuld und dem Wunder, die ihm geraubt worden waren. Er wollte verstehen, wie es sich anfühlt, wirklich Kind zu sein.
Aber Neverland ist möglicherweise nicht die kindliche Spielwiese, wie Michael Jackson behauptet… Sondern ein Ort, an dem anderen Kindern ihre Kindheit geraubt wurde… Und ihnen die schlimmsten Verbrechen angetan wurden, die man sich vorstellen kann.
Der Fall Jordan Chandler - 23 Millionen Dollar
Im November 1993 sitzt Michael Jackson an einem Konferenztisch in einem Anwaltsbüro in Beverly Hills und unterschreibt einen Scheck.
23 Millionen Dollar.
An die Familie eines 13-jährigen Jungen namens Jordan Chandler, der behauptet hat, Michael Jackson habe ihn sexuell missbraucht.
Stopp. Gleich hier. Das ist der Moment, wo die meisten von euch denken: "Okay, er ist schuldig. Case closed." Und ich verstehe das. Wirklich. Warum würde ein unschuldiger Mann 23 Millionen Dollar zahlen und damit zugeben: "Ja, ich habe einen Jungen missbraucht!"?
Aber der Fall ist nicht so eindeutig, wie er auf den ersten Blick scheint. Die Geschichte ist viel komplizierter. Sie beginnt im Mai 1992.
Wie alles begann
Dave Schwartz steht in seiner Autovermietung und sieht durch das Fenster, wie ein teurer Van auf der Straße liegen bleibt. Normale Situation für ihn – er vermietet Autos an Menschen, deren Fahrzeuge Probleme haben.
Aber als der Fahrer aussteigt, erstarrt Dave. Es ist nicht irgendein Promi. Nicht irgendein reicher Typ aus Beverly Hills. Es ist Michael Jackson. Der Mann, der "Thriller" gemacht hat. Der größte Entertainer der Welt.
Dave ist nicht dumm. Er weiß eine Gelegenheit, wenn er sie sieht. "Mr. Jackson," sagt er, als Michael in seinen Laden kommt. "Ich bin ein großer Fan. Lassen Sie mich Ihnen persönlich helfen."
Michael, immer freundlich, immer zugänglich, lächelt. Er braucht ein Auto. Dave hat eins. Ein einfaches Geschäft.
Aber Dave hat andere Pläne.
"Wissen Sie was?" sagt Dave. "Mein Stiefsohn ist ein riesiger Fan von Ihnen. Jordan. Er ist dreizehn. Er würde durchdrehen, wenn er Sie treffen könnte."
Michael, der nie Nein zu einem Kind sagen kann, nickt. "Natürlich. Bringen Sie ihn vorbei."
Eine problematische Freundschaft
Jordan Chandler ist 13 Jahre alt. Ein normaler Teenager aus einer wohlhabenden Familie. Er liebt Computerspiele, Filme und Michael Jackson.
Nachdem sich Michael und Jordan kennengelernt haben, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden. Michael gibt Jordan Aufmerksamkeit, Michael kauft Jordan Dinge, die er sich selbst nie leisten könnte. Michael lädt Jordan nach Neverland ein und übernachtet dort gemeinsam mit ihm im gleichen Bett.
Es ist einer dieser Punkte, die mich zutiefst anwidern und irritieren. Warum beginnt Michael eine derart intensive und fragwürdige Abhängigkeitsbeziehung zu Jungen, die ihn als Fans verehrten? Michael Jackson muss klar gewesen sein: Diese Dynamik zwischen einem weltberühmten Superstar und minderjährigen Bewunderern ist so ungesund, dass er eine solche Bindung nicht eingehen darf.
Die Anschuldigungen gegen Michael Jackson
Sommer 1993. Die Freundschaft zwischen Michael und Jordan ist jetzt über ein Jahr alt. Plötzlich geht Jordan zur Polizei und macht eine Aussage.
Jordan behauptete, Michael Jackson habe ihn über mehrere Monate hinweg sexuell missbraucht.
Die Details waren grafisch und spezifisch:
Michael habe ihn masturbiert
Es gäbe gegenseitigen Oralsex
Das alles sei in Neverland passiert, aber auch in anderen Orten
Jordan beschrieb sogar Michaels Genitalien detailliert
1993 führten Ermittler der Polizei von Santa Barbara und Los Angeles sogar eine richterlich angeordnete körperliche Untersuchung und fotografische Dokumentation von Jacksons Körper durch, um diese Beschreibung mit der Realität zu überprüfen.
Das sind schwere Vorwürfe. Spezifische Vorwürfe. Und Michael wehrt sich gegen jeden einzelnen. Also warum bezahlt ein unschuldiger Mann 23 Millionen Dollar, anstatt vor Gericht zu gehen und zu beweisen, dass diese Beschreibungen falsch sind?
Die finanzielle Kalkulation
1993 war Michael Jackson auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere. In diesem Jahr würde er mit seiner Tour und Plattenverträgen mehrere hundert Millionen Dollar verdienen. Aber als die Anschuldigungen publik wurden:
Die Dangerous Tour wurde abgebrochen (-$40 Millionen)
Radio-Sender bannten seine Musik (unmessbare Verluste)
Pepsi kündigte seinen Vertrag (-$50+ Millionen)
Sony dachte darüber nach, seinen Vertrag zu beenden
Geschätzte Verluste in den ersten Monaten: Über 100 Millionen Dollar
Geschätzte Kosten eines mehrjährigen Gerichtsverfahrens: 20-50 Millionen Dollar
Aber die Kosten der außergerichtlichen Einigung: 23 Millionen Dollar.
Rein finanziell war die Einigung die billigste Option. Und er müsste nicht über Monate und Jahre hinweg sein Gesicht auf einem Cover eines Boulevard-Magazins sehen, wenn wieder über den Prozess berichtet wird.
Der Prozess gegen Michael wurde damit vermieden. Aber die Einigung hatte ein großes Problem: Eine Frage blieb unbeantwortet… Kein Gericht musste eindeutig klären: War Michael Jackson tatsächlich unschuldig?
LaToya Jacksons Vorwürfe
Es gibt eine Stimme, die ganz klar und laut gegen ihn spricht. Seine Schwester LaToya sagt in einem Interview:
"Das ist sehr schwer für mich. Michael ist mein Bruder, ich liebe ihn sehr. Aber ich kann und werde keine stille Komplizin seiner Verbrechen gegen kleine, unschuldige Kinder sein. [...] Ich habe Schecks gesehen, die an die Eltern dieser Kinder ausgestellt wurden. Meine Mutter hat sie mir gezeigt - Schecks, die Michael an diese Kinder geschrieben hatte. Welcher 35-jährige Mann nimmt einen kleinen Jungen und bleibt 30 Tage mit ihm zusammen, nimmt einen anderen Jungen und bleibt 5 Tage mit ihm in einem Zimmer und verlässt das Zimmer nie?"
Michael antwortet auf diese Vorwürfe wiederum über seinen Anwalt: LaToya verdient Geld mit Lügen und wurde wahrscheinlich bezahlt, um gegen ihren Bruder auszusagen. Denn verdächtig ist, dass sie nur einen Monat zuvor gesagt hat, sie glaubt, ihr Bruder ist unschuldig.
Das verdächtige Telefonat
Etwa 3 Jahre nach diesem Deal mit den 23 Millionen kommt eine Aufnahme eines Telefonats ans Licht der Öffentlichkeit. Dieses Telefonat wurde zu einem Zeitpunkt aufgezeichnet, bevor Jordan zur Polizei gegangen ist. Man könnte es also die "Planungsphase" nennen.
Evan, Jordans Vater, sagt im Telefonat:
"Dave, wenn ich das durchziehe, gewinne ich haushoch. Es gibt keine Möglichkeit, dass ich verliere."
"Wenn ich das durchziehe."
Nicht "wenn die Wahrheit herauskommt." Nicht "wenn mein Sohn Gerechtigkeit bekommt." Nicht "wenn der Täter bestraft wird."
"Ich werde alles bekommen, was ich will, und sie werden für immer zerstört sein. Michaels Karriere wird vorbei sein."
Der Stiefvater fragt: "Aber was ist mit Jordan? Hilfst du damit deinem Sohn?"
Evans Antwort: "Das ist für mich irrelevant."
Das Wohl seines eigenen Kindes. Irrelevant.
Das ist nicht ein Vater, der um sein traumatisiertes Kind kämpft. Das klingt nach einem Mann, der eine Erpressung plant.
Natriumamytal - Das falsche "Wahrheitsserum"
Aber wenn Evan wirklich so kalt ist und mit einer dreisten Lüge eine Millionensumme aus Michael Jackson erpressen möchte… Wie kriegt er dann seinen Sohn dazu, zu lügen? Denn ohne Aussage von Jordan und ohne brisante Details kann es keine Anklage geben.
Evan ist Zahnarzt. Am 12. Juli 1993 verabreicht er seinem 13-jährigen Sohn Natriumamytal in seiner eigenen Praxis. Offiziell für eine Zahnbehandlung.
In Hollywood wird Natriumamytal gerne als "Wahrheitsserum" dargestellt. In Filmen und Fernsehshows spritzen Spione und Verhörspezialisten jemandem Natriumamytal, und plötzlich erzählt die Person alle ihre Geheimnisse.
Hier ist das Ding… Das mit dem Wahrheitsserum ist Quatsch. Natriumamytal ist ein Beruhigungsmittel, das Menschen extrem suggestibel macht.
Unter dem Einfluss von Natriumamytal ist eine Person in einem traumähnlichen Zustand. Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Suggestive Fragen können zu detaillierten "Erinnerungen" führen, die sich völlig real anfühlen.
Studien zeigen: Menschen unter Natriumamytal-Einfluss akzeptieren Suggestionen als ihre eigenen Erinnerungen. Experten auf dem Gebiet der Zahnmedizin halten die Verwendung von Natrium-Amytal für eine Zahnextraktion für „ungewöhnlich" und „unsinnig", da bessere und sicherere Alternativen zur Verfügung stehen.
Laut der Darstellung des Jungen in einer späteren psychiatrischen Sitzung wachte er nach dem Eingriff auf, war „ein wenig benommen, aber bei Bewusstsein". Sein Vater fragte ihn dann: „Ich möchte nur, dass du mich wissen lässt, ist irgendetwas zwischen dir und Michael passiert?" Daraufhin antwortete der Junge mit „Ja", und sein Vater umarmte ihn. Dies war das erste Mal, dass der Junge selbst eine solche Anschuldigung erhob.
Die 23-Millionen-Dollar-Entscheidung
Michael Jackson saß im November 1993 mit folgenden Optionen vor den Anwälten, die Jordan vertreten:
Option 1: Ein Gerichtsverfahren könnte sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen und täglich grafische Details in den Medien verbreiten. Es gäbe keine Garantie, dass "seine" Wahrheit siegen würde, und es könnten weitere Hunderte Millionen an Verlusten entstehen. Zudem bestünde die Möglichkeit einer Gefängnisstrafe, wenn die Jury den falschen Erinnerungen Glauben schenkt.
Option 2: 23 Millionen Dollar zahlen, was zwar schmerzhaft, ihn aber nicht ruiniert. Dies würde das Ende des Medienzirkus bedeuten und ihm die Möglichkeit geben, zur Normalität zurückzukehren und seine Karriere zu retten.
Michael entschied sich zu zahlen. Die außergerichtliche Einigung beendete die Zivilklage. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden eingestellt.
Die 23-Millionen-Dollar-Einigung enthielt eine sehr spezifische Klausel: "Keine Seite gibt ein Fehlverhalten gegenüber der anderen zu."
Das bedeutet: Michael Jackson gab offiziell keine Schuld zu. Rechtlich gesehen war es keine Schuldanerkennung.
Und die Einigung enthielt noch eine andere Klausel. Eine, die sich als noch destruktiver erweisen würde: Eine Verschwiegenheitsvereinbarung.
Michael durfte nicht über die Details der Einigung sprechen. Er durfte sich nicht öffentlich verteidigen. Sein Schweigen wurde als Schuld interpretiert.
Die Folgen
Das FBI hat seine Wohnung durchsucht und konnte keine belastenden Beweise finden. Auch seine Computer sollen clean gewesen sein. Basierend auf allen verfügbaren Beweisen lässt sich zumindest die Anschuldigungen nicht beweisen.
Was mir allerdings in den Kopf kommt: Wenn Michael Jackson wirklich Täter war… Dann ist er hier unglaublich billig davongekommen. Es ist nichtmal ein Warnschuss. Viel mehr wäre es eine Bestätigung: Wenn du nur ein bisschen Geld locker machst, kannst du damit ohne Probleme weitermachen.
War Michael Jacksons Zahlung von 23 Millionen Dollar verdächtig? Absolut. Sieht sie aus wie ein Schuldeingeständnis? Natürlich. War sie eine schlechte Entscheidung? Zu 100%.
Nicht, weil sie so verdächtig aussieht… Nein, sie schuf nämlich einen Präzedenzfall: "Michael Jackson zahlt, wenn man ihn des Kindesmissbrauchs beschuldigt."
Das machte ihn zum Ziel für jeden Opportunisten mit einem Kind und einem gierigen Anwalt. Und 2003 kam die Familie Arvizo.
Der Prozess 2005 - Die Familie Arvizo
Gavin Arvizo war ein krebskranker 13-Jähriger Junge, als er Michael Jackson traf. Und Michael Jackson tat, was er immer tat: Er half.
Er zahlte Gavins Krebsbehandlung. Er lud die Familie nach Neverland ein. Er gab ihnen Geld, Geschenke, Aufmerksamkeit. Er tat das, was er für Hunderte von kranken Kindern getan hatte – er versuchte, ihnen ein bisschen Magie in ihr schweres Leben zu bringen.
Die neuen Vorwürfe
Aber die Familie Arvizo behauptet: Auch Gavin wäre missbraucht worden. Gavin behauptete:
Michael habe ihm Alkohol gegeben, den er "Jesus-Saft" nannte
Michael habe ihm Pornografie gezeigt
Michael habe ihn zweimal sexuell belästigt
Die Mutter Janet behauptete:
Sie und ihre Kinder seien auf Neverland "gefangen gehalten" worden
Michaels Mitarbeiter seien "Killer" gewesen
Sie hätten in "Todesangst" gelebt
Die Durchsuchungen
Zwei Mal stürmte die Polizei Michael Jacksons Neverland Ranch. Zwei Mal durchsuchten über 70 Ermittler jeden Winkel seines Zuhauses. Zwei Mal suchten sie nach dem einen Beweis, der Michael Jackson als Kinderschänder überführen würde.
Die Ermittler suchten nach:
Kinderpornografie
Fotos von nackten Kindern
Drogen oder "Betäubungsmittel"
Beweise für sexuelle Aktivitäten mit Minderjährigen
Briefe, Videos, Aufzeichnungen von Kindern
Nach 70+ Ermittlern, zwei großangelegten Durchsuchungen und Millionen von Dollar an Ermittlungskosten:
Kinderpornografie: Null
Fotos von nackten Kindern: Null
Kompromittierende Videos: Null
Drogen zum Betäuben von Kindern: Null
Sie fanden:
Kunstbücher mit Aktfotografie (in jedem Museumsladen erhältlich)
Einige Erwachsenen-Pornografie-Magazine (völlig legal)
Verschreibungspflichtige Medikamente (offiziell für seine dokumentierten Rückenschmerzen)
Es gab also keine direkten Beweise.
Aber: Jeffrey Epstein führte jahrzehntelang einen internationalen Kinderhandelsring und versteckte die Beweise erfolgreich vor der Polizei. Harvey Weinstein missbrauchte Dutzende von Frauen und hielt es jahrzehntelang geheim. R. Kelly hatte ein ganzes System zur Rekrutierung und Kontrolle minderjähriger Mädchen.
Reiche, mächtige Männer sind sehr gut darin, ihre Verbrechen zu verstecken. Michael Jackson wusste seit 1993, dass die Polizei ihn im Visier hatte. Er hatte zehn Jahre Zeit, belastende Beweise zu vernichten und sich ein System aufzubauen, bei dem seine Schuld nicht zu beweisen ist.
Der Prozess - Der Pyjama-Tag
Als Michael Jackson an diesem Morgen in den Gerichtssaal humpelte, stand für ihn alles auf dem Spiel. Denn die Anklage hatte einige Zeugen, die gegen ihn aussagen wollten. Der Prozess verlief allerdings anders als erwartet.
Gavins Bruder behauptete, er habe gesehen, wie Jackson seinem Bruder pornographische Zeitschriften zeigte. Aber im Kreuzverhör stellte sich heraus, dass diese Zeitschriften von August 2003 datiert waren – fünf Monate nachdem die Familie aufgehört hatte, Neverland zu besuchen.
Janet Arvizo benahm sich im Zeugenstand so bizarr, dass die Geschworenen später sagten, sie hätten sich "intensiv irritiert" gefühlt. Sie schnippte mit den Fingern in Richtung der Jury. Sie war "herumschweifend, inkohärent und zeitweise streitlustig."
Macaulay Culkin als Zeuge
Und dann kam die Verteidigung. Als er an der Reihe ist, steht Michaels Verteidiger auf und sagt etwas, was den Gerichtssaal elektrisiert:
"Die Verteidigung ruft Macaulay Culkin auf."
Macaulay Culkin. Der berühmteste Kinderstar seiner Generation. Kevin aus "Kevin - Allein zu Haus". Ein Mann, den die Staatsanwaltschaft selbst als eines von Michaels angeblichen Opfern genannt hatte. Und er kam, um für Michael Jackson auszusagen.
"Mr. Culkin, die Staatsanwaltschaft hat angedeutet, dass Mr. Jackson Sie sexuell missbraucht haben könnte. Ist das wahr?"
Culkins Antwort war sofort und kategorisch: "Absolut nicht. Das ist absolut lächerlich."
"Haben Sie als Kind Zeit alleine mit Mr. Jackson verbracht?"
"Ich habe als Kind dutzende Male in seinem Bett geschlafen. Es ist nie etwas Unangemessenes passiert."
Die Kraft dieser Aussage war seismisch. Hier war jemand, den die Staatsanwaltschaft selbst als potenzielles Opfer identifiziert hatte. Jemand, der alle "Risikofaktoren" erfüllte - berühmtes Kind, Zeit alleine mit Michael, Übernachtungen.
Wade Robson, ein weiterer Junge, der möglicherweise Opfer von Michael wurde, macht die gleiche Aussage: "Nie passiert."
Ein anderes Muster entsteht
Und dann treten weitere Prominente in den Zeugenstand und erzählen eine ganz andere Geschichte.
Chris Tucker, der Komiker, erzählte, wie die Familie Arvizo ihn angebettelt hatte und versucht hat auch von ihm Geld zu bekommen. Und Jay Leno, der Talkshow-Moderator, berichtete das Gleiche.
Plötzlich entstand ein Muster. Aber nicht das Muster, das die Staatsanwaltschaft erwartet hatte. Das Muster zeigte eine Familie, die systematisch Prominente erpresste. Eine Familie, die Michael Jackson als ihr nächstes Ziel ausgesucht hatte.
Das Urteil
Am 13. Juni 2005, nach 32 Stunden Beratung über sieben Tage, verkündeten die Geschworenen ihr Urteil.
Nicht schuldig. In allen 14 Anklagepunkten.
Nicht "nicht bewiesen". Nicht "technisch freigesprochen". Nicht schuldig.
Die Geschworenen glaubten Michael Jackson. Sie glaubten seinen Zeugen. Sie glaubten nicht der Familie Arvizo.
Das Ende von Neverland
Endlich ist Michael frei. Frei von allen Anschuldigungen, frei von allen Vorwürfen. Ein Gericht hat ihn komplett freigesprochen.
Aber der Prozess hat ein großes Loch in Michaels Leben hinterlassen. Michael konnte nie wieder nach Neverland zurückkehren. Die Untersuchungen des FBIs, die unerwarteten Besuche von Behörden und der Polizei, und die Vorwürfe, die damit zusammenhängen, hat er nicht verkraftet.
"Sie haben es geschändet," sagte er später. "Es ist nicht mehr dasselbe. Ich kann dort nicht mehr leben."
Er verkaufte die Ranch 2008. Der neue Besitzer entfernte den Zoo, demontierte die Fahrgeschäfte, beseitigte alle Spuren von Michaels Vision.
Neverland, das Nimmerland, wurde wieder zu einem normalen Stück Land.
Meine eigenen Zweifel
Ich muss hier ehrlich mit euch sein. Und mit mir selbst.
Je tiefer ich in diese Geschichte eintauche, desto mehr habe ich ein komisches Gefühl. Nicht nur über Michael Jackson. Sondern über meine eigene Recherche. Ich finde, es geht viel zu einfach, Michael zu entlasten. Es ist quasi so, als würde ich nur auf Quellen stoßen, die es einfach machen, ihn zu verteidigen.
Ich habe irgendwie das Gefühl, dass diese Quellen nicht zu 100% neutral sind. Sondern dass der Fall über Michael Jackson mehr eine Art Trittbrett ist.
Das ist ein Problem. Es ist verdammt schwer, unabhängige Quellen zu diesem Thema zu finden. Zumindest Quellen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie es irgendwie versuchen. Und ja, ich verstehe, dass das Thema Kindesmissbrauch so emotional aufgeladen ist, dass es schwer auszuhalten ist, eine neutrale Haltung einnehmen zu wollen.
Aber ich merke, dass ich unbewusst den Quellen mehr Vertrauen geschenkt habe, die Michael entlasten.
Warum? Natürlich, weil ich Fan der Musik bin. Vielleicht auch, weil seine eigene Geschichte so tragisch ist.
Und ich frage mich: Bin ich in eine Meinungs-Falle getappt? Habe ich zu schnell die Quellen akzeptiert, die Michael entlasten, und zu kritisch die bewertet, die ihn belasten?
Was, wenn Michael Jackson sowohl ein großzügiger Mann war, der wirklich Kinder geliebt hat… aber auch jemand war, der unsägliche Grenzen überschritten hat?
Als ich diesen Artikel begonnen habe, dachte ich, ich könnte die Geschichte verstehen. Und eine Meinung herausarbeiten, die ich auch in den nächsten Jahren verteidigen kann. Vielleicht wäre ich in der Lage, die Beweise und Anklagepunkte für mich so zu sortieren, dass ich für mich klar festlegen kann: Michael Jacksons ist schuldig oder unschuldig. Meiner Meinung nach bin ich damit gescheitert.
Michael Jacksons Tod - 25. Juni 2009
Ich will euch noch von einem Tag erzählen, an den ich mich genau erinnern kann. Es ist der 25. Juni 2009. Ich bin gerade auf dem Weg zu einem meiner ersten Jobs, nachdem ich mein Abi in der Tasche hatte, ein Job in einem Freizeitpark. Als ich gerade das Auto auf dem Parkplatz abgestellt habe, ruft mich mein bester Freund Benjamin an. Er fragt mich: "Weisst du, wer gerade gestorben ist?". Meine Antwort war: "Michael Jackson!".
Die lange Stille am anderen Ende der Leitung hat mir dann alles gesagt, was ich wissen musste.
Michael Jackson - der King of Pop, der Mann, der "Thriller" erschaffen hat, der den Moonwalk erfunden hat - liegt leblos in seinem Schlafzimmer in Holmby Hills. Um 14:26 Ortszeit wird er für tot erklärt. Er war 50 Jahre alt.
Propofol - Die "Milch des Vergessens"
Jacksons Tod war kein Herzinfarkt. Keine Überdosis im herkömmlichen Sinne.
Es war Propofol. Das ist ein Narkosemittel, das in Operationssälen verwendet wird. Ein Mittel, das so stark ist, dass Patienten innerhalb von Sekunden bewusstlos werden. Anästhesisten nennen es "Milch des Vergessens" - wegen seiner milchig-weißen Farbe.
Michael Jackson benutzte es zum Schlafen. Jeden Abend. In seinem eigenen Schlafzimmer. Sein Arzt, Dr. Conrad Murray, gab ihm an diesem schicksalhaften Morgen 25 Milligramm Propofol intravenös. Dann passierte, was Experten schon lange befürchtet hatten - Jacksons Atmung setzte aus. Murray war nicht auf eine Wiederbelebung vorbereitet. Keine angemessene Ausrüstung, kein Monitoring, kein Backup-Plan.
Aber hier ist das Verrückte: Jackson war gerade dabei, sein Comeback zu planen. "This Is It" - eine Konzertserie in London, die seine Schulden tilgen und seine Karriere wiederbeleben sollte. Er probte intensiv, war voller Energie und Pläne.
Und dann war er weg. Wegen einer 25-Milligramm-Dosis eines Medikaments, das niemals außerhalb eines Krankenhauses hätte verwendet werden dürfen.
Conrad Murrays Verteidigung
Conrad Murray drohen vier Jahre Haft. Und was sagt er? "Jackson hat es sich selbst gegeben."
Das war Murrays Hauptverteidigung. Seine Anwälte behaupteten, Jackson wäre müde und unter Druck, er hätte acht Lorazepam-Tabletten geschluckt - ein Beruhigungsmittel. Und dann, während Murray kurz weg war, hätte sich Jackson selbst die tödliche Propofol-Dosis injiziert.
Die Staatsanwaltschaft konterte brutal: Sie riefen Ärzte und Krankenschwestern in den Zeugenstand, die alle bestätigten - ja, Jackson hatte sie auch um Propofol gebettelt. Aber sie alle hatten NEIN gesagt.
Eine Krankenschwester sagte zu Jackson: "Niemand, der sich um dich sorgt, wird dir Propofol zum Schlafen geben."
Murray war der einzige. Der einzige Arzt, der ja gesagt hatte.
Murrays unglaubliche Behauptungen
Murray schreibt später ein Buch über seine Beziehung zu Michael, über dessen Leben… Und darin bringt er noch weitere unglaubliche Informationen:
Er behauptet: Michael Jackson wurde als Teenager von seinem eigenen Vater chemisch kastriert, um seine Stimme hoch zu halten und sie einmalig zu machen. Und das hätte Michaels sexuelle Entwicklung verhindert.
Diese Behauptungen stehen im Widerspruch zu den bekannten Fakten. Jacksons Autopsiebericht stellte fest, dass er normale männliche Genitalien hatte und „aktiv Spermien produzierte".
Es gibt NULL glaubwürdige Beweise dafür, dass Michael Jackson jemals kastriert wurde. Null. Das ist kein streng gehütetes Geheimnis, das irgendwann durchgesickert ist. Steht in keinen Krankenakten. Kann man also den Informationen von Conrad Murray trauen? Schließlich hat er das Buch auch geschrieben, um möglichst viel Schuld von sich abzuladen.
Conrad Murray behauptet auch, Michael Jackson wollte seine Patentochter Harriet heiraten und später Emma Watson. "Michael verliebte sich in Harriet als sie etwa fünf Jahre alt war. Mit 12 wurde er fixiert auf sie. Er wollte, dass ich gemeinsam mit ihm ihren Vater besuche, um Heiratspläne zu diskutieren." Und über Emma Watson: "Michael sagte, er sei fast genauso besessen von der britischen Schauspielerin. Er hatte sich in sie 'verliebt' als er sie 2001 im ersten Harry Potter Film sah, als sie erst 11 war."
Leaving Neverland - 2019
Im Jahr 2019 kommt dann die letzte große Enthüllung. Ein vierstündiger Dokumentarfilm schockiert die Welt. "Leaving Neverland". Zwei Männer sitzen vor der Kamera und erzählen... Dinge, die niemand hören will.
Sie heißen Wade Robson und James Safechuck. Beides sind mittlerweile erwachene Männer.
Wade Robsons Geschichte
Wade Robson sagt: Der Missbrauch begann, als er sieben war und ging sieben Jahre lang. Bis zum Alter von 14 Jahren. Er berichtet von Masturbation, Oralsex, Analsex. Grafische Details, die ich hier nicht wiederholen will.
James Safechucks Geschichte
James Safechuck sagt dasselbe. Von 10 bis 14. Vier Jahre. "Hunderte Male", behauptet er. Beide erzählen eine sehr ähnliche Geschichte.
James hatte einen Tanzwettbewerb gewonnen, traf Michael bei einem Meet and Greet und war plötzlich mit ihm auf Tour. Er erzählt davon, wie Michael mit ihm geübt hat, sich schnell und lautlos anziehen - nur für den Fall, dass jemand überraschend in das Zimmer kommt, in dem sie sind. Michael hätte ihm gesagt: "Wenn das rauskommt, ist mein Leben vorbei. Und deins auch"
Er erzählt von einer "Scheinhochzeit" - Michael hätte mit ihm eine Zeremonie durchgespielt, komplett mit Ring. Ein erwachsener Mann "heiratet" einen Zehnjährigen.
Wade wiederum spricht davon, dass bei seinem Missbrauch ein lebensgroßer Pappaufsteller von Peter Pan vor dem Bett stand, den er die ganze Zeit ansehen konnte. Der Junge, der niemals erwachsen werden konnte. Der Junge, der Michael Jackson dazu inspiriert hat, Neverland zu bauen.
Ich habe keinen Grund James und Wade nicht zu glauben. Was sie erzählen ist tiefgreifend erschütternd.
Aber hier ist das Problem
BEIDE MÄNNER HATTEN ZUVOR UNTER EID GESAGT, DASS NICHTS PASSIERT WAR.
Wade Robson stand 2005 in einem Gerichtssaal. Jacksons Anwälte hatten ihn als ERSTEN VERTEIDIGUNGSZEUGEN aufgerufen. Er schwor: "Michael Jackson hat mich niemals belästigt." Unter Eid. Er war damals ein erwachsener Mann, Mitte 20. James hat im Jahr 1993 das gleiche gesagt. Nur war er dort noch ein Kind.
Und jetzt, Jahre später, sagen sie: "Wir haben gelogen."
Ich will und kann den beiden aus diesem Sinneswandel keinen Vorwurf machen. Sie sagen, sie hätten lange gebraucht, um überhaupt zu verstehen, dass sie missbraucht wurden.
Ungereimtheiten in den Geschichten
Und trotzdem gibt es auch hier wieder Punkte, die massiv gegen die Geschichte der beiden sprechen.
Nachdem die Robsons 1991 in die USA zogen, wollte Michael Jackson plötzlich nicht mehr so viel Zeit mit Wade verbringen, wie sich die Familie gewünscht hatte. Trotzdem hat Wade Robson 2009 in einem Buch und in E-Mails positiv über Jackson gesprochen. Das war nur wenige Jahre, bevor diese kontroverse Doku rauskam. Bis 2011 lobte er Michael Jackson in Interviews.
Im November 2010 wurde Wade die Regie von „Step Up Revolution" angeboten. Er sah das als Erfüllung von Michael Jacksons „Prophezeiung", dass er irgendwann ein Filmemacher von „epischen Ausmaßen" werden würde. Aber dann kam der Absturz: Anfang 2011 erlitt er einen Nervenzusammenbruch, zog sich zurück und fühlte sich als Versager.
Nach einem zweiten Nervenzusammenbruch im März 2012 begann Wade eine neue Therapie. Im Mai 2012, etwa drei Wochen nach Therapiebeginn erhob er erstmals Anschuldigungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen Michael Jackson. In seinem Blog jedoch hat er geschrieben, dass der enorme Druck und Stress bei der Arbeit als Choreograph dazu geführt hat. Und seine Mutter berichtet von starken finanziellen Problemen zu dieser Zeit.
Außerdem hat James Safechucks behauptet, er wäre im Bahnhof von Neverland missbraucht worden. Dieser Bahnhof wurde allerdings erst zwei Jahre nach dem Zeitraum gebaut, in dem er behauptet hat: "Michael Jackson hat mich missbraucht"
Brandi Jacksons Perspektive
Und dann gibt es da noch eine Frau, deren Geschichte komplett ignoriert wurde. Ihr Name ist Brandi Jackson. Michael Jacksons Nichte.
Brandi Jackson sagt: „Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass Wade nicht missbraucht wurde." Das ist keine vage Vermutung. Das ist die Aussage einer Frau, die acht Jahre lang mit Wade zusammen war. Michael hatte die beiden sogar verkuppelt.
Das Timing und das Geld
Und dann ist da noch das Timing.
2009 stirbt Michael Jackson. Wenig später rufen Wade und seine Mutter Joy bei Brandi an. Plötzlich wollen sie wieder Kontakt. Nach Jahren der Funkstille.
Als das nicht funktioniert: geht Wade vier Jahre später den Klageweg und verklagt das Estate auf 1,5 Milliarden Dollar. Die Klage wird abgelehnt.
Danach folgte die Dokumentation "Leaving Neverland". Und jetzt fordern James und Wade in einer neuen Klage gemeinsam 400 Millionen Dollar. Der Prozess soll im November 2026 starten.
So entstehen auch hier Fragezeichen hinter einer Geschichte, bei der es keine Beweise gibt.
Mein Fazit - Ein Tennis-Ball zwischen zwei Extremen
Was denke ich jetzt, am Ende meiner Recherche, über Michael Jackson?
Ich fühle mich wie ein Tennisball, der von zwei extremen Meinungen immer wieder auf die andere Seite rübergeschlagen wird. Immer dann, wenn ich glaube: "Michael ist schuldig", gibt es einen Gegenbeweis, der mich daran zweifeln lässt. Immer dann, wenn ich denke: "Jeder, der ihm Missbrauch vorwirft, ist ein Lügner", kommt eine Geschichte, von der ich denke: Michael Jackson war ein schlechter Mensch.
In seinem Lied "Childhood" singt Michael eine Zeile:
"Before you judge me, try hard to love me Look within your heart, then ask Have you seen my childhood?"
Bevor ihr mich verurteilt, versucht mich zu lieben. Sch